China, ein Land, das sich selbst überholt (Teil II)

Bei Dunkelheit trafen wir in Yichang, dem Ausgangsort für die Yangtse-Fahrt, ein. Das obligatorische chinesische Abendessen war angesagt. Mit jedem Tag gelang es uns virtuoser mit Stäbchen zu essen. Selbst Nudelsuppe (natürlich nicht die Brühe, die geschlürft wird), Erdnusskerne und Reis sowie nicht zu definierende chinesische „Leckerli“ wurden bewältigt.

Spät am Abend betraten wir unser Kreuzfahrtschiff „Katarina“ der Victoria Cruises, einer amerikanischen Gesellschaft mit Sitz in New York. Vier Tage lang hatten wir nunmehr auf dem Schiff den Komfort, den man sich im Urlaub erwartet. 350 km Yangtse (Gesamtlänge: 6.300 km, Rhein: 1.300 km) lagen nun vor uns. Nachts ging das Schiff jeweils vor Anker, weil Untiefen, keine Randbojen und Schwemmsand leicht zu einem Abenteuer hätten werden können. Der Vorteil für uns Passagiere war eine ruhige Nacht ohne die Nachteile eines Schiffsdiesels. Am nächsten Morgen fuhren wir in die erste der vier  Schleusen (Gezhou-Damms) ein, die jeweils ca. 40 m breit und 300  lang sind. In mehreren Stufen wurde das Schiff auf die aktuelle Wasserhöhe von 139 m gehoben. Geplant ist bis 2009 die Fertigstellung der 5. Schleuse, so dass der im Endausbau vorgesehene Wasserstand von 175 m bewältigt werden kann.

 

Von einem Besichtigungspunkt sollte man den Staudamm und die Schleusenkammern eindrucksvoll überblicken. Leider war starker Frühnebel zu verzeichnen, sodass an dieser Stelle nur die Dimension auf der Basis eines Planungsmodells aufgezeigt werden kann.

 

 

 

 

Der aktuelle Durchfluss für die Energieerzeugung beträgt ca. 110.000 qm/sec. Der Staudamm hat eine Breite von mindestens 2 km. Ob der Staudamm so sicher ist, wie die Chinesen meinen, ist unklar. In jedem Fall ist die Region anfällig für Erdbeben. Sollte der Staudamm nach 2009 brechen, sind sich die Experten einig, dass die Millionenstadt Shanghai eins wird mit dem Meer.

Während der Fahrt sieht man bezaubernde Landschaften bis hin zu verlassenen Häuser und ganzen Geisterstädten. Mehr als 2 Millionen Menschen werden und müssen noch umgesiedelt werden. Ein gesamtes Dorf wird einfach in ein neu gebautes Hochhaus gesteckt, das dann weiter oben am Hang die wunderschöne Landschaft verschandelt. Teilweise ähnelt die Fahrt einer Hurtigroutentour durch die Fjorde Norwegens. 

Auf dem Weg zu den „Drei Schluchten“ führt die Reise an Höhlen nebst Gräbern, beeindruckenden steilen Felsformationen, chinesischen Schriftzeichen  an den Felsen, Seitenschluchten (Xiling) etc. vorbei. An dem Daningfluß gehen die Kreuzfahrtschiffe vor Anker. Nach dem Ausbooten fahren die Touristen mit kleineren Sampans und Schwimmwesten in die „Drei Schluchten“. Romantische Landschaften, schroffe Felsformationen, hängende Särge in der Fels-wand und für die Touristen chinesische Folklore runden den 5-stündigen Ausflug ab.

 

Der nächste Ausflugspunkt ist „Shibaozhai“, eine 30 m hohe Steinformation, die von einem Tempel aus der Zeit der Qing-Dynastie in Form einer Pagode gekrönt wird. Leider trübte starker Regen diesen Besichtigungspunkt. Eine Vielzahl von kulturellen Angeboten wie „Einführung in die chinesische Sprache, Innen-Glasmalerei, TCM, Majong, geschichtliche Aspekte, China und Religion usw.“ ließen die Zeit sehr kurzweilig werden. Das  Abendprogramm bestand aus chinesischer Musik, Trachten aus verschiedenen Jahrhunderten und Tanzeinlagen.  Die Fahrt auf dem Yangtse näherte sich nun langsam dem Endpunkt Chongqing, nachdem die Geisterstadt Fengdu passiert war.

 

  Bisher hatten wir von Chongqing noch nie etwas gehört, eine Stadt von 6 Mio. Einwohnern, zählt man die Vorstädte mit, werden es 32 Mio. Einwohner. China misst sich halt in anderen Dimensionen. Die Stadt ist an dem Zusammenfluß von Jangtse und Jialing an einem Hang erbaut. Fahrräder in Unmengen wie in Shanghai sieht man aufgrund der steilen Strassen kaum. Die Luftverschmutzung in dieser Stadt ist so hoch, dass fast das ganze Jahr Smog und Nebel Stadt und Jangtse beherrschen. Hier in Chongqing übernachten wir in einem 5-Sterne Hotel im Zentrum, das auch in jeder anderen westlichen Hauptstadt liegen könnte. Die Geschäfte kommen einem von den Namen sehr westlich vertraut vor. Auch hier sieht die Innenstadt wie Klein Manhattan aus. Bewegt man sich aber an die Peripherie der Innenstadt (6 Mio. E.), wird man den Eindruck nicht los, als wenn man eine Zeitreise in das Mittelalter gemacht hat, mit all dem noch nicht vorhandenen Komfort, um es positiv auszudrücken.  Ein Ausflug am nächsten Tag bringt uns per Bus nach Dazu. Hier sind auf dem Nordberg mehr als 600 buddhistische Skulpturen und Reliefs „Amitayus-Dhyana-Sutra“ in die Felsen gehauen worden. 

 

Weiter geht es per Flugzeug nach Xian, dem Ausgangspunkt der Seidenstrasse. Eine schachbrettartig angelegte Stadt ähnlich Mannheim umgeben von einer alten Stadtmauer, 14 km lang, 16 m breit und 12 m hoch. Das Highlight in Xian ist der Besuch der 2000 Jahre alten Terrakotta-Armee, die Kunstfertigkeit und Macht des chinesischen Reiches auf faszinierende Weise dokumentiert. Die Krieger der Armee sind alle ca. 2 m groß, aus gelbem Ton geformt und nach dem Brennen bemalt. Jeder der Krieger hat einen anderen Gesichtsausdruck, die Figuren sind hohl, Köpfe und Hände sind aufgesetzt. Leider sind die farbenprächtigen Malereien nach den Ausgrabungen durch Luftzufuhr erheblich verblichen. Deutsche Restauratoren versuchen derzeit mittels chemischer Verfahren dem Verfall Einhalt zu bieten. Weitere Besichtigungspunkte, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, waren die „Grosse Moschee, der Trommel- und der Glockenturm, der Stelenwald im Provinzmuseum, die kleine Wildgans-Pagode.

 

Per Flugzeug ging es nun zum Abschluß der Reise nach Beijing. Das Wetter war gnädig gestimmt. Es war sonnig, aber aufgrund der hohen Staubbelastung der Luft konnte man die Sonne nicht sehen. Die Atemprobleme in der Gruppe häuften sich nun vermehrt. Zentrale Besichtigungspunkte waren ein Besuch der Mauer, die verbotene Stadt, der Sommerpalast, eine Vielzahl von Tempel (Lama, Konfuzius, Himmels-) und Türmen (Glocken-, Trommel) sowie die Minggräber.

Die Grosse Mauer (6.500 km lang), die man bisher nur von Bildern her kannte, ist noch beeindruckender, wenn man davor steht bzw. diese auch dann erklettert. Ein mühsames Unterfangen, die Stufenhöhe bewegt sich je nach Bergformation (Steilheit) zwischen einem und fünf Mauersteinen, die aufgeschichtet sind.  Die Trittbreite entspricht ebenfalls nur einem Stein, so dass es schon einer erheblichen Kraftanstrengung bedarf, die Stufen (bis zu 40 cm Höhe) zu erklimmen. Der Abstieg ist nicht viel leichter, da keine seitlichen Seile angebracht sind, um sich festzuhalten. Trittsicher und schwindelfrei ist eine wesentliche Voraussetzung, eine gute Kondition ist ebenfalls erforderlich, um bei 35 Grad und erheblicher Sonneneinstrahlung 400 m Höhe zu überwinden. Der Besuch der Minggräber auf der Rückfahrt von der Mauer ist ebenfalls lohnenswert, speziell die Geisterallee flankiert von Tierfiguren, die teilweise aus der Mythologie stammen..

 

Wie oft hat jeder schon im Fernsehen das Tor des Himmlischen Friedens mit dem

Mao Bild gesehen. Wenn man davor steht, wird einem erst bewusst, welche Dimensionen der davor liegende Platz (Tian’anmen) des Volkes besitzt. Die verbotene Stadt,  bestehend aus einer Vielzahl von Hallen und Palästen, ist kaum in einem Tag zu  bewältigen, wenn man sich näher mit den Gegebenheiten beschäftigen will. Gleiches gilt für den Sommerpalast mit dem Marmorboot. 

                                                                    Es gäbe noch eine Vielzahl von kleinen Anekdoten zu erzählen. Diese aus dem Gesamtzusammenhang gerissen, sind für den Außenstehenden kaum zu verstehen.

 

 

 

Meine Empfehlung lautet daher: Besuchen Sie China privat, ein faszinierendes Land, das abgesehen einmal von den Boomtowns derzeit noch ein schlafender Riese ist. Sicher ist nur eins, wenn dieser Riese einmal erwacht, werden wir uns alle sputen müssen, denn die Menschen sind hungrig  nach Erfolg und Selbstbestätigung!