China, ein Land, das sich selbst überholt (Teil I)

 

Urlaub in China heißt Begegnung mit Vergangenheit und Zukunft zugleich oder durchgestylter Reiseablauf ohne wesentliche Freiheitsgrade. Trotz Shanghai-Erfahrung aus diversen Dienstreisen erkennt man sehr schnell, dass China nicht mittels einer Individualreise zu erschließen ist. Das „Sesam öffne dich“ hierfür sind  mindestens tiefschürfende Kenntnisse der chinesischen Sprache in Wort und Schrift, um abseits der Boomtown Shanghai und Beijing zu bestehen. Selbst bei Kenntnis der Sprache sind Zweifel angebracht, ob das Land soweit touristisch erschlossen ist, dass die Basiselemente wie Mitauto, Straßenkarten mit gängigen Verkehrswegen, Hotels, der Besuch touristischer Sehenswürdigkeiten etc. aus der Ferne planerisch bewältigt werden könnten. Und dies fängt schon bei der Internetrecherche am heimischen PC an, der die chinesischen Schriftzeichen standardmäßig nicht darstellen kann.

Wir, meine Frau und ich, haben uns daher mangels Alternativen entschlossen, China per Gruppenreise zu erkunden, mit all den Vor- und Nachteilen, die hinlänglich bekannt sind. Gruppenreisen nach und durch China gibt es wie Sand am Meer, von Norden nach Süden, von Osten nach Westen und natürlich auch umgekehrt. Hört man sich im Bekanntenkreis näher um, so kennt jeder einen anderen Veranstalter. Ein Blick in die Kataloge zeigt, dass die vorgegebenen Reiserouten mit den wesentlichen Besichtigungspunkten bei den verschiedenen Veranstaltern kaum voneinander abweichen. Die Hauptunterschiede liegen in der Qualität verbunden mit dem Hintergrundwissen der Reisebegleitung, die der meistens inhomogenen Gruppe China – Geschichte, Land, Leute, Tempel, Pagoden etc. – mehr oder weniger näher bringt, in den chinesischen Guides, die unterschiedlich verständliches Deutsch sprechen, in den geringfügig variierenden Hotelkategorien, in den lokalen Besuchspunkten sowie in den Reisemitteln (Flug, Bus, Schiff). Gleich für alle Gruppen ist der Besuch in den so genannten Freundschaftsläden und Märkten sowie in bestimmten Museen, die zwingend in jeden Reiseablauf eingebaut sind.

Der Veranstalter unserer Gruppenreise war Studiosus und der Reiseverlauf war Shanghai – Wuhan – Yichang – Fahrt auf dem Yangtse – Chongqing – Xian – Bejing.  Mitte September beginnend wurde uns als die richtige Reisezeit genannt, da es im Oktober in Beijing schon empfindlich kühl sein sollte.

Aber das Gegenteil war der Fall, der heißeste Sommer seit langem  mit 35 Grad C. und  bis zu 90 % Luftfeuchte und  Klimaanlagen in Bussen, Hotels und Museen mit 14 bis 17 Grad C. Das Wechselbad der Klimaduschen während der gesamten Reise in Verbindung mit der Luftverschmutzung war die Herausforderung, welche die Reisegruppe zu bestehen hatte, was nicht ohne Ausfälle vor sich ging. 

Nun zu den Highlights dieser Reise, über die man Seiten füllen könnte und die ohne Kenntnis über den geschichtlichen Hintergrund, die Bauwerke (Pagoden, Tempel), die Museen und die Ausgrabungen selbst sowie die Begegnung mit den Menschen nur singuläre Eindrücke darstellen.  

China heißt auf chinesisch „Zhong guo“ oder Reich der Mitte. Folgende Kennzahlen zum besseren Verständnis: Fläche: 9 572 419 qkm (ca. 27 x BRD), Einwohner: 1.271 Mio. Einwohner (15 x BRD), Bevölkerungsdichte: 133 Einwohner/qkm (BRD: 231 ), Bevölkerungswachstum: 1,2 % (BRD: 0,2 %), Bruttosozialprodukt / Einwohner: 890 $ (BRD: 23.560 $).

Shanghai: Boomtown, ist die erste Station auf unserer Reise, eine Stadt, die fast täglich ihr Gesicht verändert. Eine Stadt mit ca. 18 Mio. Einwohnern, die auf Schwemmland erbaut ist, das von dem Yangtse mitgeschleppt wird. Mit dem Transrapid ist man in ca. 20 Minuten vom Flughafen in Pudong in der Innenstadt von Shanghai.  Leider empfiehlt sich dieser Transport nur ohne Gepäck. Nach einem LH-Flug ab Frankfurt von ca. 10 Stunden reiste unsere Reisegruppe standesgemäß mit einem Bus in 60 Minuten vorbei an Hochhäusern, Reisfeldern, Kraftwerken und Rinderherden in das Innenstadt-Hotel in der Nähe des Bunds.

Um in der City „Manhatten**2“ entstehen zu lassen ist es erforderlich, alte Stadtviertel mit Mann und Maus in Hochhäuser mit kleiner Basisfläche umzusiedeln. Ein Komplex von ca. 15 Hochhäusern reicht aus, um Gifhorn nach chinesischen Verhältnissen umzusiedeln.

Um den Besuchern die planerische Sicht dieser Retortenstadt näher zu bringen, gehört auch ein Besuch des Planungsamts zum offiziellen Programm. Auf einer Fläche von ca. 20 x 20 m ist die Stadtentwicklung von Shanghai, der Ausbau des Flughafens von Pudong und weitere noch auf dem Reißbrett entstehende Städte im Umkreis von Shanghai bis zum Jahr 2020 dargestellt. Die Planung wird ohne Für und Wieder umgesetzt, ohne Proteste (die Partei hat immer recht), durch Dekret von oben, basta! So funktioniert dies in einer Volksdemokratie!

Die frei werdende Fläche wird mit TV-Tower, luxuriösen Hotels, modernen Wohnkomplexen (Eigentumswohnungen) und Geschäftsgebäuden (nicht unter 20 Stockwerken) bebaut. Mit schwindelerregenden 421 m ist der Jin-Mao-Tower das dritthöchste Gebäude der Welt mit dem „Grand Hyatt“ als höchstem Hotel.

 

 

 

Die Flaniermeile von Shanghai ist der Bund, hier kann man noch das Flair des alten Shanghai’s aus den 30-er Jahren nachempfinden. Hier treffen sich Touristen, Einheimische, Händler, zum Sehen und  Gesehen werden, zum Schwatzen, zum Kaufen und Verkaufen  oder um einfach nur  einen Blick über den Huang Po Fluss auf Pudong zu genießen.

 

 

 

 

 

Ein weiterer Besichtigungspunkt des Programms bildete Yu-Garden, ein altes Gartengelände mit Felsüberhängen, Teichen mit Goldfischen, Grotten und Steinformationen. Das angrenzende Teehaus Huxinting erreicht man nur über eine Zickzack-Brücke, die böse Geister abhalten soll. Umgeben ist dieser Komplex von einem Basar, wo man alles oder auch nichts kaufen kann. Nicht unerwähnt sollte auch der Besuch des 4-stöckigen Shanghai-Museums bleiben, das mit einer umfassenden Sammlung chinesischer Kunst und klassischer Gegenstände aufwartet – Tip: Wenn man nur für ein Museum in China Zeit hat, sollte man dies wählen. Nach soviel Besuchsprogramm war nun Shoppen ohne Ende auf der Nanjiing Donglu, auf der Yan An Donglu und im Viertel Xintiandi angesagt.

 

 

 

 

 

Ein Erlebnis besonderer Natur war der „Typhoon Khanum“, der ca. 150 km entfernt von Shanghai mit 210 km/h Windgeschwindigkeit, sinnflutartigen Regenstürmen auf die Küste traf. In Shanghai verdunkelte sich der Himmel am helllichten Tag, menschenleere Strassen, lose Gegenstände wurden katapultartig durch die Strassen geweht, Bäume und Palmen nahmen aerodynamische Formen an und auch unser Hoteleingang wurde überflutet. Das Naturerlebnis hielt mehr als 18 Stunden an.

 

Nachdem das Gepäck auf einem Lastwagen verladen war, wurden wir mit dem Bus zum lokalen Flughafen Shanghai gefahren, um weiter nach Wuhan zu fliegen (ca. 1 ½ Flugstunden). Das Flugzeug, eine Boeing 737 war zu 100 % besetzt. Der wesentliche Unterschied zu einem LH-Inlandsflug bestand darin, dass jeder, auch in der Economy-Class, ein hervorragendes Frühstück serviert bekam. Nach Ankunft stand in Hubei wiederum ein Museum auf dem Programm.

Aus chinesischer Sicht war es scheinbar nicht das Museum selbst, sondern die kostenpflichtige Teilnahme an einer Musikaufführung mit nachgeschaltetem „Andenkenshop“. Eine weitere Attraktion war ein  über mehrere Oktaven arbeitendes Glockenspiel - bestehend aus ovalen Glocken - , die über seitliche Zapfen gestimmt wurden.

Geplant war die Einnahme des Mittagessens in einem Hotel.

 

 

 

 

 

Dort angekommen, mussten wir erkennen, welche Macht die Partei hat. Das gesamte Hotel war kurzerhand geschlossen worden, weil ein Parteitreffen angesetzt war. Nachdem die Parteilelite angeführt und abgeschirmt von diversen Polizeifahrzeugen vorgefahren war, entstiegen der Kolonne ganze 6 Personen. Dies zeigt wiederum die Allmacht der Partei. Weiter ging es mit einem klapprigen nicht klimatisierten Bus über eine in Reparatur befindliche „Autobahn“ in das 320 km entfernte Ychang. Baustellen, Staus und Geschwindigkeitsbegrenzungen machten den Tag bei 36 Grad C. und hoher Luftfeuchte zu einer 8-stündigen Tortour. Eine einzige Raststätte mit Selbstbedienungsshop und Toiletten, an die sich ein West-Europäer erst gewöhnen muss, zeigten überdeutlich, dass Shanghai nur Fassade für ein China ist, das noch eine erhebliche Entwicklung benötigt. Gleiches kann man aber auch schon 30 Km westlich von Shanghai erleben.

 

Fortsetzung : Teil II